Change Management in ECM Projekten – Teil II

Change Management in ECM projekten

Im ersten Teil der Serie ging es darum, einen Einstieg ins Thema Change Management in ECM Projekten zu finden und kurz die Hintergründe zu beleuchten. Im zweiten Teil dreht sich alles um die Projektwahrnehmung der Mitarbeiter, zu erwartende negative Reaktionen und die gute Seite von Widerstand.

Wie ticken die eigenen Leute?

Die Einteilung der Mitarbeiter in drei Gruppen, die Veränderungen entweder annehmen, ablehnen oder ihnen neutral gegenüberstehen, ist mittlerweile weit verbreitet. Diese Gruppen werden im Rahmen des Change Management nach Bedarf weiter aufgesplittet, um potentielle Adressaten für die verschiedenen Maßnahmen zu identifizieren. Des Weiteren wird ein generelles Reaktionsmuster zugrunde gelegt (7-Phasen-Modell nach Streich), um ein skizzenhaftes Verständnis für die emotionale Wahrnehmung von Veränderungen zu erzeugen. Dieses Muster ist an das Modell der fünf Phasen zur Akzeptanz einer Erkrankung beziehungsweise Phasen der Trauer nach Kübler-Ross angelehnt.

Auch wenn dieses Erklärungsmuster immer wieder aufgrund seiner Eingängigkeit im Change Management herangezogen wird, sollte man davon Abstand nehmen, wenn der eigene Ist-Zustand ermittelt wird. Ob und wie stark bestimmte Verhaltensweisen ausgeprägt sind, wird durch die Unternehmenskultur, den jeweiligen Projektanlass und letztlich durch die einzelnen Personen bestimmt. Sowohl bei der Annahme über die Einstellungsgruppen als auch beim skizzierten Reaktionsmuster handelt sich um Vorüberlegungen zur Komplexitätsreduktion. Es ist also nicht zielführend, die verschiedenen Phasenmodelle dafür zu benutzen, um das Verhalten einzelner Mitarbeiter oder Abteilungen schablonenhaft zu bewerten und abzuhaken.

Diese Feststellung mag selbstverständlich erscheinen, aber es ist zu beobachten, dass Change-Management oft in Teilen oder zur Gänze mechanistisch umgesetzt wird. Ohne Empathie bleibt Change Management ein Feigenblatt für halbgare Maßnahmen. Damit wird man weder der Idee noch den beteiligten Mitarbeitern gerecht, was in der Konsequenz der eigenen Glaubwürdigkeit extrem abträglich ist.

Blockaden erkennen und gezielt abbauen

Die Hauptaufgabe des Change Managements besteht darin, die Unternehmenskultur so zu beeinflussen, dass Veränderungsprozesse realistisch und positiv wahrgenommen werden. IT-Projekte können technisch durchaus sehr tiefgreifend sein und stellen die verantwortliche Fachabteilung vor große Herausforderungen. Widerstand gegen ein neues System kann sich davon unabhängig aber aus jeder Richtung und auf jeder Ebene ergeben. Es  reicht also nicht fachbezogene Prozesse und technische Infrastruktur kompetent zu überarbeiten, sondern es müssen immer individuelle Beharrungskräfte überwunden werden. Dazu ist es erforderlich, die herrschende Stimmung bewusst wahrzunehmen.

Je nach persönlicher Befindlichkeit kann Widerstand gegen ein spezifisches Projekt verschiedene Ursachen haben:

  • grundsätzliche Aversion gegen plötzliche und/oder massive Veränderungen
  • negativ gefärbte Annahmen hinsichtlich der Ziele und Gründe neuer Projekte
  • Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Projektführung
  • negative Vorerfahrungen mit ähnlichen Projekten
  • Vorurteile aller Couleur
  • sonstige (z. T. irrationale) Einflüsse wie die individuelle psychische Verfassung und Ähnliches

Je nachdem, wie stark eine Neuerung den eigenen Wirkungsbereich betrifft, können diese als individuelle Einschränkung und persönliche Abwertung empfunden werden:

  • die Veränderung wird als Zwang und Druck wahrgenommen
  • Notwendigkeit zu oder Konsequenz aus der Neuerung zeugt vermeintlich von mangelnder Anerkennung der eigenen Leistung und Kompetenz
  • neue Arbeitsweisen bewirken eine Veränderung der eigenen Persönlichkeit
  • Sorge über veränderte Erwartungen an einzelne oder alle Mitarbeiter

Nimmt eine Projektplanung darauf keine Rücksicht, kann eine ablehnende Haltung ungewollt zusätzliche Nahrung erhalten:

  • unklare Verhältnisse verstärken eine schon vorhandene Verunsicherung
  • neue Ansprüche an die Arbeitsweise können in temporäre oder langanhaltende Überlastung münden
  • veränderte Zeitpläne und sonstige Abläufe können sich negativ auf die sozialen Beziehungen auswirken

Treffen die verschiedenen Faktoren unglücklich aufeinander, kann dadurch eine Abwärtsspirale in Gang gesetzt werden. Negative Erwartungen werden vervielfacht, womit nicht nur die Akzeptanz von Veränderungen erschwert, sondern auch bereits existierendes Vertrauen und Motivation untergraben wird. Sachliche Auseinandersetzung wird mit bewusstem oder unbewusstem Ausweichverhalten quittiert. In der Folge sind Probleme schwieriger zu lösen, da die Kooperationsbereitschaft leidet und Entscheidungen nicht mit der notwendigen Verve gefällt beziehungsweise vertreten werden. Auch wenn zum Schluss eine neue Lösung in Betrieb ist, können dadurch wesentliche positive Effekte völlig verpuffen.

Auch wenn die oben aufgeführten Phänomene wirklich allgegenwärtig sind, besteht kein Grund zur Schwarzmalerei. Denn Erstens gibt es erprobte Mittel und Wege, um damit umzugehen (abseits von autoritärem Gestus und Zwangsmaßnahmen). Und Zweitens verbirgt sich in Widerstand natürlich auch Potenzial, das es zu nutzen gilt.

Die Kehrseite der Medaille

Die einfachste Methode, um die oben beschriebenen Reaktionen nachzuvollziehen, besteht darin, das eigene Verhalten zu überprüfen. Wenn man einmal damit begonnen hat, sich selbst im Kontext einer bestimmten Situation zu beobachten, wird schnell bewusst, dass jeder eine gewisse Veränderungsresistenz in sich trägt. Ohne diese Eigenschaft wäre es auch schwierig, überhaupt eine Persönlichkeitsstruktur auszuprägen.

Damit wird auch klar, dass Widerstände nicht nur einseitig als Ärgernis gelten dürfen, sondern eine gesunde Funktion erfüllen. Bei völliger Gleichgültigkeit, aber auch bei demonstrativer Euphorie müssen daher sämtliche Alarmglocken anspringen. Denn das kann bedeuten, dass die betroffenen Mitarbeiter ihre natürliche Veränderungsresistenz entweder verloren oder aufgegeben haben. Wieder ist es unabdingbar, die Ursachen solcher Phänomene möglichst genau zu identifizieren, um daraus die angemessenen Maßnahmen abzuleiten.

Apathie deutet auf eine innere Haltung hin, bei der den Betroffenen Abläufe und Ziele im Unternehmens weitgehend egal sind. Das mag persönliche Gründe haben, ein Ergebnis eines geringen Zusammenhalts im Unternehmen sein oder auf negativen Erfahrungen aus anderen Situationen beruhen. Mitunter wird das unternehmensseitig sogar billigend in Kauf genommen. Ein solcher Ausdruck von fehlender Verbundenheit und ausgeprägter Resignation ist für ECM Projekte aber ein nicht zu unterschätzendes Problem.  Denn für eine erfolgreiche Umsetzung ist man auf das detaillierte Feedback und ehrliche Beteiligung der Mitarbeiter angewiesen. Euphorie ist zwar gefühlt das völlige Gegenteil, aber auch hier stellt sich die Frage, wie vertrauenswürdig und belastbar getätigte Aussagen sind. Zugegebener Maßen ist allgemeiner Überschwang aber eher selten anzutreffen.

Ein weiterer Nachteil fehlender Widerstände ist der Mangel an Ansatzpunkten für die Annahme und Internalisierung von Neuerungen. Argumentativ ist es einfacher, auf Fragestellungen eingehen und für aufgeworfene Probleme Lösungen anbieten zu können. Darüber hinaus bedeutet fehlender Widerstand nicht, dass keine verborgenen Konflikte und Bedürfnisse existieren. Diese nicht adäquat adressieren zu können, mündet im schlimmsten Fall in neurotischen Strukturen und Verhaltensweisen, welche die Zusammenarbeit und künftige Veränderungen umso schwerer machen.

Die Themenbreite und Vielschichtigkeit der zu berücksichtigenden Faktoren sind also sehr weit gefasst. Wie man angemessen mit den Problemstellungen des Change Management umgeht, wird im dritten Artikel erörtert: Change Management in ECM Projekten – Mitarbeiter durch gutes Projektmarketing überzeugen.

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